\u201eN\u00e4chster Halt: Landtag\/Kniebr\u00fccke!\u201c<\/p>\n
Die Stimme der Bahnansage riss mich aus meinen Gedanken. Ich war m\u00fcde, mir war kalt und f\u00fchlte mich ersch\u00f6pft und schlapp, ja, auch ein wenig schlecht gelaunt.\u00a0<\/p>\n
Ich hatte nur noch einen Wunsch, endlich zu Hause anzukommen und gemeinsam mit meiner Jacke den anstrengenden Arbeitstag abzustreifen und achtlos in die Ecke zu pfeffern. Vielleicht auch noch mal nachzutreten.\u00a0<\/p>\n
Es war ein Tag, wie es schon viele vorher gab. Und vermutlich auch viele noch geben w\u00fcrde. Gedankenverloren sah ich aus dem Fenster der Stra\u00dfenbahn.<\/p>\n
N\u00e4, heute mache ich nichts mehr,<\/em>\u00a0murmelte mir meine Stimme im Inneren verschw\u00f6rerisch entgegen und setzte damit einen Punkt hinter diesen Tag.\u00a0<\/p>\n Ich lie\u00df meinen Blick wieder ins Nichts schweifen und sah grau in grau und ab und an, wenn \u00fcberhaupt, betr\u00fcbte Gesichter, die grimmig heimw\u00e4rts hechteten.\u00a0<\/p>\n Einen alten Mann in seinem Rollstuhl. Mutterseelenallein. Ungeschickt und vergeblich bem\u00fcht versuchte er, die R\u00e4der seines Rollis und damit sich selbst ein paar Zentimeter nach vorne zu schieben.\u00a0 Eine Begleitung war weit und breit nicht zu sehen.\u00a0<\/p>\n Was macht er da so allein?<\/em>\u00a0Es war wirklich kalt an diesem Tag, windig, ungem\u00fctlich.\u00a0<\/p>\n Unentschlossen r\u00fchrte sich mein Unterbewusstsein.\u00a0<\/p>\n Steig aus. Hilf ihm!<\/em><\/p>\n Zeitgleich mit diesem Gedanken setzte sich die Bahn schwerf\u00e4llig wieder in Bewegung. Mein Blick blieb an dem alten Mann haften, sah ihm hinterher und suchte nach Best\u00e4tigung, dass jemand in seiner N\u00e4he war. Dass er nicht allein dort zur\u00fcck blieb.\u00a0<\/p>\n Doch ich fand sie nicht.\u00a0<\/p>\n Kaum f\u00e4hig, sich selbst\u00e4ndig vorw\u00e4rts zu bewegen.\u00a0<\/p>\n Der arme, hoffentlich kommt er wieder Heim bevor es regnet.<\/em><\/p>\n Die Stra\u00dfenbahn bekam Schwung, bewegte sich z\u00fcgig schneller und schob den alten Herrn, den ich immer noch beobachtete, unausweichlich aus meinem Blickfeld.\u00a0<\/p>\n Okay, zu sp\u00e4t. Es wird schon gut gehen.\u00a0<\/em><\/p>\n N\u00e4chster Halt. Die Bahn verlangsamte ihr Tempo, die T\u00fcren \u00f6ffneten sich. Menschen stiegen aus, andere dr\u00e4ngelten sich hinein.\u00a0<\/p>\n Kurz bevor die T\u00fcren erneut schlossen sprang ich aus der Bahn und lief zur\u00fcck. Ich musste einfach sehen, ob es ihm gut ging.\u00a0<\/p>\n Ich war nicht sicher, ob der alte Mann noch an der gleichen Stelle sein w\u00fcrde, ahnte aber, dass er seinen Standpunkt h\u00f6chstens um wenige Zentimeter ver\u00e4ndert haben w\u00fcrde.\u00a0<\/p>\n \u201eGuten Abend. Es ist wirklich kalt heute, oder?\u201c<\/p>\n Ein z\u00f6gerlicher Blick. Unsicherheit. Augen voller Misstrauen und Ungl\u00e4ubigkeit.<\/p>\n \u201eIch habe gesehen, dass es Ihnen schwer f\u00e4llt, den Rollstuhl zu bewegen.\u201c\u00a0<\/p>\n Seine H\u00e4nde zitterten w\u00e4hrend er erneut versuchte, sich vorw\u00e4rts zu schieben und dabei wieder und wieder kraftlos abrutschte.\u00a0<\/p>\n \u201eKann ich Ihnen vielleicht helfen?\u201c Ein weiterer, unsicherer Blick.\u00a0<\/p>\n \u201eWo m\u00f6chten Sie denn hin? Ich k\u00f6nnte Sie ein St\u00fcckchen begleiten und dabei schieben.\u201c<\/p>\n Peinlich ber\u00fchrt lehnte er ab, vermied es, mir dabei in die Augen zu schauen.<\/p>\n \u201eSind Sie ganz allein hier?\u201c\u00a0<\/p>\n Ein schwaches Nicken. Ich sp\u00fcrte Wut in mir aufkommen. Was zur H\u00f6lle\u2026.?!<\/p>\n \u201eKommen Sie, wir gehen ein wenig spazieren. Wohin kann ich Sie bringen?\u201c<\/p>\n \u201eAber es wartet doch bestimmt jemand auf Sie zuhause. Gehen Sie ruhig. Ich komme schon zurecht.\u201c<\/p>\n \u201eEin leerer Kochtopf wartet schmollend auf mich. Aber das macht er schon den ganzen Tag, also kommt es auf ein St\u00fcndchen mehr oder weniger auch nicht mehr an\u201c lachte ich ihm entgegen.<\/p>\n Sch\u00fcchtern zeigte er in eine Richtung und so gingen wir langsam und gem\u00fctlich los. Nach links. Nochmal nach links. Und dann wieder links.\u00a0<\/p>\n Gespr\u00e4chig war der alte Herr nicht, doch das machte nichts. Gem\u00e4chlich schlenderten wir eine Runde um den Block, seine Augen schienen sich jeden Zweig einzupr\u00e4gen.\u00a0<\/p>\n Am Ende des Weges lag ein Altenheim. Dort wohnte er.\u00a0<\/p>\n Als ich ihn in die Eingangshalle schob kam mir eine Pflegerin entgegen und bedankte sich.\u00a0<\/p>\n \u201eHallo Herr G., wo kommst Du denn her? Wo hast Du Dich wieder herum getrieben?!\u201c<\/p>\n \u201eDanke, dass Sie ihn wieder her gebracht haben.\u201c\u00a0<\/p>\n \u201eKann ich noch was tun?\u201c\u00a0<\/p>\n \u201eNein, nein. Wir bringen ihn jetzt zu seinen Freunden, nicht wahr, Herr G.?\u201c\u00a0<\/p>\n Und schon schob sie ihn in den offenen, begr\u00fcnten Innenhof zu den anderen Bewohnern, bekleidet mit Morgenm\u00e4nteln, an Gehst\u00f6cken laufend oder auch in Rollst\u00fchlen sitzend.\u00a0<\/p>\n Ich verabschiedete mich und erntete einen letzten, dankbaren, stummen Blick und ein angedeutetes Winken von Herrn G., bevor sein Stuhl in die andere Richtung gedreht und er fortgeschoben wurde.\u00a0<\/p>\n Nachdenklich, aber mit einem L\u00e4cheln im Gesicht machte mich auf den Heimweg. Ich war m\u00fcde. Und drau\u00dfen war es kalt.\u00a0<\/p>\n Doch mir nicht mehr. Mir war warm. Im Innern. \u00a0<\/p>\n ***<\/p>\n Ich h\u00e4tte nat\u00fcrlich nach Hause fahren und so tun k\u00f6nnen, als w\u00fcrde mich der einsame, alte Mann auf dem leeren Platz unter der Br\u00fccke nichts angehen. Ich h\u00e4tte darauf hoffen k\u00f6nnen, dass er allein nach Hause findet, dass er vor allem die Kraft dazu haben w\u00fcrde.\u00a0<\/em><\/p>\n Doch so war es viel sch\u00f6ner! Ich hatte einen alten Mann mit ein wenig Aufmerksamkeit und einem kleinen Spaziergang gl\u00fccklich gemacht und konnte am eigenen Leib sp\u00fcren, wie gut sich N\u00e4chstenliebe und Hilfsbereitschaft anf\u00fchlen, wenn man es lebt.\u00a0<\/em><\/p>\n <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Eine Geschichte \u00fcber Hilfsbereitschaft.\u00a0 \u201eN\u00e4chster Halt: Landtag\/Kniebr\u00fccke!\u201c Die Stimme der Bahnansage riss mich aus meinen Gedanken. 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Er sah schwach aus. Hilflos.<\/h2>\n
Es gelang mir nicht, mich selbst zu \u00fcberzeugen. Nicht einmal ansatzweise.\u00a0<\/h2>\n
Und ich sollte recht behalten.\u00a0<\/h2>\n
Sein Schamgef\u00fchl stand unausgesprochen zwischen uns, verbot ihm, meinen Vorschlag anzunehmen.\u00a0<\/h2>\n
\u201eAlso, in welche Richtung soll\u2019s gehen? Wo wohnen Sie?\u201c<\/h2>\n
Tadaaa, \u00dcberraschung!\u00a0<\/h2>\n
Und Du? Wann hast Du Deine eigenen Bed\u00fcrfnisse das letzte Mal zur\u00fcck gestellt und selbstlos geholfen? Hinterlasse einfach einen Kommentar. Teile Dein Erlebnis. Und teile am besten auch diesen Artikel. Direkt hier unten \u00fcber einen der Social Media Buttons. Los!\u00a0<\/h4>\n