Erinnerung an einen Liebesbrief.

Gestern war es bei mir mal wieder soweit. Aus heiterem Himmel hatte ich diesen einen bestimmten Reim im Kopf, den ich in Kindertagen – oder war ich vielleicht doch schon ein Teenie? – mal von einem Schwarm in einem Liebesbriefchen bekommen habe. Ich kann mich heute noch Wort für Wort an jede einzelne der vier kurzen Zeilen erinnern und auch daran, dass diesem Briefchen ein kleines Herz aus Plastik beilag. Alle paar Jahre kommt diese Erinnerung zu mir zurück, doch leider will mir beim besten Willen nicht einfallen, welcher Junge mir diese niedliche Liebeserklärung damals zugesteckt hat. In diesem Liebesbrief stand der folgende Reim:

Es schwimmt im Meere die Blondine,

Die Badefrau, die sieht ihr zu,

Es schwimmt im Öle die Sardine,

In meinem Herzen schwimmst nur Du…

Ist das nicht niedlich? Welch‘ eine Poesie! 

Früher hat man sich gegenseitig noch öfter diese süßen (Liebes-)Briefe geschrieben, so richtig mit Stift auf Papier. Meine Briefe und auch die, die erhielt, waren bunt bemalt, mit Stickern verschönert und im allerbesten Fall sogar parfümgeschwängert. Einige dieser Briefe duften sogar heute noch leicht. Ich bastelte meine Briefumschläge selbst aus Zeitungspapier, Geschenkpapier oder aus Anzeigenseiten aus Magazinen. Oder ich beklebte normale Umschläge bunt und individualisierte meine Post so gut es ging! Hauptsache nicht unscheinbar. Meine Briefe mussten schon beim Erhalt schreien: Sieh her, Bille hat Dir geschrieben! HA!

Ich habe damals wirklich gern und auch viele Briefe geschrieben, denn ich hatte einige Brieffreundschaften, schrieb mir mit Freunden aus der Schule oder im Ausland über viele Jahre. Irgendwann ist das eingeschlafen. Keine Ahnung, wann und warum. Doch die meisten dieser Briefe habe ich aufbewahrt und es ist einfach nur schön, ab und an mal wieder darin zu lesen. 

Briefe

Briefe schreibt man nicht mehr wie früher

Schade, dass wir heute kaum noch Briefe mit der Hand schreiben. Heute werden E-Mails geschrieben, SMS versandt, per Whatsapp oder Skype gechattet. Aber einen per Hand geschriebenen Brief erhält man heute nur noch selten. Eine E-Mail oder SMS ist aber einfach nicht dasselbe. Oder hast Du noch SMS von vor 10 Jahren? Also ich nicht und ich bedauer wirklich, dass ich aus der Handyzeit keine nachlesbaren Erinnerungen mehr habe. Selbst E-Mails sind mir teilweise abhanden gekommen. Ist das nicht schade?

Ich bekomme heute höchstens noch ab und an eine handgeschriebene Postkarte und selbst das – Ausnahmen bestätigen die Regel – meist nur nach bettelnder Aufforderung. Dabei bekomme ich wirklich gerne Postkarten und auch über einen handgeschriebenen Brief würde ich mich total freuen. Was wäre das doch für eine wundervolle Abwechslung für meinen Briefkasten, der nur noch gedruckte Briefe, Rechnungen und Werbeblättchen zu schlucken hat.

Doch ich gestehe: auch mir fällt es heute unglaublich schwer, einen Brief mit einem Stift zu Papier zu bringen. Schon deshalb, weil ich so unglaublich ungeduldig mit mir selbst geworden bin, meine Handschrift inzwischen einfach furchtbar finde und tippen mittlerweile einfach schneller geht. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich verschieden bunte Stifte oder eine ganze Arme an Füllern mit unterschiedlich dicken Federköpfen benutzte, die alle natürlich mit andersfarbiger Tinte befüllt waren. Meine Lieblingsfarben waren übrigens pink und vor allem türkis und ich hatte wirklich viele Füllhalter. Viele davon von Lamy*, die es schon damals in unterschiedlichen Farben und Federstärken gab. Kennst Du die Füllermarke noch? Ich hatte drei verschiedene normale Füllhalter und einen Kugelschreiber und sogar einen Kalligrafie-Lamy*. Damit konnte man so herrlich butterweich über das Papier gleiten. Hach, was habe ich meine Füller und vor allem meine Lamys geliebt. Bis heute konnte ich mich auch nicht davon trennen – benutzt wurden sie aber seit inzwischen Jahrzehnten nicht mehr. (Jahrzehnte! Oh Gott, hört sich das schrecklich an.)

Füller LamyWie war das damals, wenn man einen Liebesbrief schrieb?

Briefe schreiben ging damals noch ganz leicht von der Hand, auch die Liebesbriefchen. Überwindung kostete es mich nur, dieses Eingeständnis von Gefühlen dann auch wirklich auf die Reise zu schicken. Ich hatte immer endloses Herzklopfen, wenn ich vor dem Briefkasten stand und trippelte minutenlang von Unsicherheit geplagt von einem Bein auf das andere. Öffnete den Briefschlitz, steckte den Brief hindurch… und zog die Hand im letzten Augenblick dann doch wieder zurück. Dieses Spiel beherrsche ich perfekt. Bevor ich mich traute, meinen Brief auch tatsächlich fallen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen, konnten mitunter kleine Ewigkeiten vergehen. Endlich mit leeren Händen dastehend beschleunigte mein kleines Teenie-Herz seinen Schlag dann noch einmal um gefühlte 1000 Schläge und oft machte sich eine leichte Panik breit. Hatte ich einen Fehler begangen? Oh Gott, das war ein Fehler. Natürlich war das ein Fehler. Was mach ich hier eigentlich? Mein Mut kam mir oft wie Übermut vor und ich wäre allzu oft am liebsten durch den Schlitz gekrochen, um mein Geständnis wieder herauszufischen.

Man konnte einen Brief aber auch, total waghalsig, persönlich übergeben. Hatte ich mich – ermutigt von der besten Freundin oder dem besten Freund – endlich getraut, rannte ich wie vom Blitz getroffen rasend schnell davon, noch bevor der andere den Brief richtig in den Händen hielt. Oder ich ließ den Liebesbrief direkt von einer Freundin übergeben. Hauptsache die eigene Schamesröte wurde nicht entdeckt. Himmel, war mir das immer peinlich und unangenehm. Und ich hasste mich inbrünstig, ja schämte mich wochenlang in Grund und Boden, wenn der Angebetete sich nicht wie erhofft mit einem Gegengeständnis seiner Liebe bedankte. Statt gemeinsam in rosa Wolken gehüllt davonzuschweben, machte sich der Schwarm im schlimmsten Fall über mich lustig. Du bist jetzt das Gelächter der ganzen Schule, super toll gemacht, Bille!

An meine Reaktion auf den Badenixen-Reim kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern, doch ich weiß noch sehr genau, dass ich die in Öl schwimmende Sardine in der Liebeserklärung sehr befremdlich fand. Ich befürchte fast, dass auch ich mich damals über diesen mutigen Jungen mehr belustigt habe, als ihn ernst zu nehmen. Kinder können wirklich grausam sein. 

Wenn ich heute von dieser Erinnerung an den Liebesbrief eingeholt werde, lässt es mich aber jedes Mal breit grinsen. Ich bin dankbar für diese Momente aus alten Tagen, die sich immer wieder ihren Weg ins Heute bahnen. Nachdem ich gestern nun heraus gefunden habe, dass diese Zeilen aus einem Song von Loti Pohl stammen, werde ich in Zukunft wohl noch mehr Spaß daran haben. Das Lied setzt dem Ganzen einfach noch einmal ein Extra-Krönchen auf. Hör es Dir auf jeden Fall an, ich habe mich gekringelt vor Lachen:

Lieber „Junge“: Danke für diese tolle Liebeserklärung, sie ist ein Highlight aus meiner Kindheit und ohne Dich würde mir eine wirklich schöne Erinnerung fehlen. 

Welches war Deine schönste oder skurrilste Liebeserklärung? Kannst Du Dich daran noch erinnern? Oder hast Du nun Lust bekommen, mal wieder zu Papier und Stift oder gar Füller zu greifen, weißt aber nicht, wem Du schreiben sollst? Schreib mir, ich freu mich! Meine Adresse findest Du hier. (Ich verspreche, ich schreibe auch garantiert zurück. Ebenfalls handschriftlich natürlich. Und Dein Brief bleibt natürlich unter uns. Ehrensache!) 

Liebe Grüße, Bille ♥