Zu Fuß von Greystones nach Bray. 

“Gestern” noch habe ich mich tierisch über mein Geburtstagsgeschenk gefreut und konnte noch gar nicht fassen, dass meine Freunde mich für einen Kurztrip nach Irland schicken. Und heute ist schon alles vorbei. Einerseits bin ich traurig darüber, dass dieser Trip schon hinter mir liegt, andererseits habe ich so viele tolle Eindrücke mitgebracht. Unersetzlich! Und natürlich habe ich ganz viele Fotos gemacht, damit ihr auch einen kleinen Eindruck bekommen könnt. Diese können natürlich nur ansatzweise das wiedergeben, was man vor Ort sieht und fühlt. Ich will dennoch versuchen, euch ein wenig mit meinem Irland-Fieber zu infizieren.

Mittwoch früh, 6 Uhr, der Wecker klingelt. Ich möchte ihn noch einmal weiter stellen, merke aber, dass ich zu müde bin, um das gefahrlos tun zu können. Denn: Gleich soll es los gehen. Ab nach Irland. Es wäre ein Drama, wenn ich den Flug verpassen würde, weil ich nochmal fest einschlafe und dann verschlafe.

Also erstmal schnell einen Kaffee und dann fix unter die Dusche. Ich bin auch zu müde, um aufgeregt zu sein. Normalerweise bin ich ein nervliches Wrack, bevor es in Urlaub geht, diesmal erstaunlicherweise nicht. Ich bin die Ruhe selbst. Und das, obwohl ich heute allein reisen werde. Das erste Mal in meinem Leben. Eine ganz neue Erfahrung für mich. Einmal alleine in Urlaub zu fahren stand für dieses Jahr auch auf meiner To Do Liste. Dank meiner Freunde ist dieser für mich so wichtige Punkt schneller in Erfüllung gegangen, als ich es je gehofft hatte. :)

Morgenstund hat Gold im Mund. 

Voll gepackt mit Rucksack und Kameratasche mache ich mich gegen 8 Uhr auf den Weg zum Flughafen. Mein Flieger startet um 10:30 Uhr. Ich habe also genügend Zeit, durch die Sicherheitskontrollen zu gehen und am Flughafen noch eine Kleinigkeit zu frühstücken. Als das Gate um kurz nach 10 Uhr schließt bemerke ich dann doch kurzzeitig einmal etwas Aufregung. Das legte sich aber schnell wieder.

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Ich suche meinen Platz, 18 D, am Gang. Ich habe verpasst mir rechtzeitig einen Fensterplatz zu sichern. Nun ja. Was soll’s. Ich schnappe die Worte der Stewardess auf, “Boarding complete”, und schaue mich um. Alle Passagiere sind auf ihren Plätzen. Da kommt niemand mehr, die Maschine ist nicht wirklich prall gefüllt. Und die beiden Plätze neben dem meinen sind auch noch frei. Hurrraaa. Schnell ans Fenster umsetzen und den Platz genießen. So gemütlich bin ich wohl noch nie geflogen.

Als wir über den Wolken ankommen erstrahlt der bisher graue Himmel auf einmal in einem wundervollen Blau. Was für ein wahnsinnig schöner Anblick. Ich kann verstehen, warum Pilot zu werden für viele ein Traumberuf ist. Einen schöneren Arbeitsplatz als über den Wolken kann man wohl kaum haben. Zumindest vom Ausblick her.

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11:20 Uhr, wir sind gelandet. Dublin, here I am. Ich hatte schon von zu Hause ein Busticket für 12.30 Uhr nach Bray gebucht, um von dort dann um 18:40 Uhr mit dem St. Kevin’s Bus weiter nach Glendalough fahren zu können. Die lange Aufenthaltszeit wollte ich dazu nutzen, den Cliff Walk von Bray nach Greystones zu wandern. Zumindest zur Hälfte. 7 km komplett hin und weitere 7 km wieder zurück traute ich mir dann doch in der verfügbaren Zeit nicht zu.

Ich bahnte mir meinen Weg durch den Flughafen und fand die Bushaltestelle des gebuchten AirCoach Busses auf Anhieb. Es ist alles wunderbar ausgeschrieben und man muss vom Terminal 2 nur geradeaus, die Treppe runter aus dem Flughafen heraus und dann links die Rolltreppe runter. Das hatte ich mir schwieriger vorgestellt, denn vom Flughafen fahren eine Menge Busse nach Dublin rein und zwar von vielen verschiedenen Haltestellen. Eben auch die Öffentlichen Dublin Busse. Da diese aber an jeder klitzekleinen Haltestelle halten und ich am Ende von Dublin nochmal weiter nach Bray hätte fahren müssen, habe ich mich für die direkte Verbindung mit dem AirCoach Bus entschieden. Das Ticket bis nach Bray kostet 11 Euro, das ist ok. Dadurch, dass ich die Bushaltestelle auch auf Anhieb fand und innerhalb weniger Minuten von der Ankunfthalle zur Bushaltestelle gekommen bin, konnte ich sogar den Bus um 11:30 Uhr noch erreichen. Das klappte ja alles wie am Schnürchen. Wunderbar! Und schon setzte der Bus sich Richtung Dublin in Bewegung. 

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Spontan ist doch am besten. 

Ich hatte vorher schon einmal darüber nachgedacht, statt nur bis Bray direkt bis nach Greystones durch zu fahren und dann den Cliff Walk zurück nach Bray zu laufen. Eine gesamte Strecke würde ich in der verfügbaren Zeit schaffen und so könnte ich auch die gesamte Strecke die Klippen entlang laufen. Also entschied ich mich im Bus dann spontan noch um und sagte der Busfahrerin, dass ich doch bis Greystones durchfahren möchte.

Die letzten Haltestellen war ich der letzte Fahrgast und ich schnatterte ein wenig mit der Fahrerin, die mich zunächst von meinem Vorhaben, bis nach Greystones durchzufahren, abhalten wollte. Ihrer Meinung nach sei Greystones eine Geisterstadt, während das Hafenstädtchen Bray mehr zu bieten habe. Ich kam kurz in Versuchung auf sie zu hören, doch wer mich kennt, der weiß genau: Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann will ich das auch am liebsten so machen. Und so hörte ich auf meinen Bauch und stieg erst in Greystones um ca. 12.50 Uhr aus, wo mich nach immer wieder kurzen Regenschauern ein hellblauer Himmel und Sonne erwartete. 

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Ob es nun eine Geisterstadt ist vermag ich gar nicht zu sagen, denn ich sah nur eine Straße davon. Auf dieser aber gab es einige Restaurants, Pubs und Süßigkeitenläden, jedenfalls genug, um sich nach dem Cliff Walk zu stärken. Bevor ich mich mit meinem gesamten Gepäck auf dem Rücken und meiner Umhänge-Kameratasche von Photoqueen auf den langen Weg machen sollte, wollte ich auch genau das tun.

Ich entschied mich für ein Restaurant, welches am urigsten aussah, und zwar The Burnaby Lounge Bar Restaurant in Greystones, Wicklow und aß einen gebackenen Brie mit Salat (ja ich weiß, nicht vegan, aber Salat pur war mir dann doch zu blöd, ich brauchte was warmes zu essen). 

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Frisch gestärkt fragte ich die Kellnerin noch einmal schnell nach dem Weg und machte mich dann gegen 14:30 Uhr auf ans Meer und in Richtung Klippen. Das Wetter spielte bis dahin noch mit, doch kaum war ich ein paar Meter gelaufen, fing es auch schon an zu tröpfeln. Och nöööö. Bitte kein Regen. Egal, war nicht zu ändern. Das würde mich jetzt auch nicht von meinem Vorhaben abhalten. Ich wollte unbedingt zu diesen Klippen. Die Straße hoch, da ist das Schild. Cliff Walk. Jawoll. Und jetzt links? Oder die nächste erst? Mist.

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Wo bitte geht’s zum Cliff Walk? 

Ah, da kommt wer. „Excuse me Madame, Sir, I’d like to do the Cliff Walk, is this the right direction?“ Ich ernte große Augen. „Oh my dear, I wouldn’t walk the walk today. It’s mucky and greasy and it rained all night and day. No good idea to do that walk today.“ Was? Wie jetzt? Ich will da aber hin. „Is it dangerous to walk the walk when it’s wet? Is it very steep? Might I slip and fall down the cliffs? Or are there any borders or a handrail which could protect me from falling into the sea?“„No, there are no handrails.“ Na toll! 

Und ich solle doch mal da rüber schauen, da ziehen schon wieder dunkle Wolken auf, es wird gleich wieder regnen und stürmen. Gerade eben sei auch schon ein kleiner Hund von den Wellen verschluckt worden und man konnte ihn nicht mehr retten, das Wetter sei wirklich extrem. WAS? Hund? Wellen? Verschluckt? Wo zur Hölle würde dieser Weg lang gehen? Ich bekomme ein leicht mulmiges Gefühl. War es wirklich eine gute Idee bei diesem Wetter da lang zu gehen? Ich entschied mich zunächst an der Promenade entlang zu laufen. Zum Meer wollte ich ohnehin.

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Das Meer war schmutzig, dreckig, aufgewühlt. Der Himmel wolkenverhangen, die ganze Szenerie wirkte leicht bedrohlich. Und doch fühlte ich mich sofort gefangen, ach was, wohlig umarmt von dem vertrauten Rauschen und dem Klatschen der Wellen gegen die Felsen. Ja, ich bin ein Wassermann. Ich bezweifle ja immer noch, dass das eigentlich ein Luftzeichen sein soll. Kann gar nicht sein!

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Die Langzeitbelichtung hat leider nicht so ganz geklappt, wie ich wollte. Und die Regentropfen auf dem Graufilter tun ihr Übriges. Trotzdem mag ich das Bild.

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Nachdem ich ein paar Minuten gebannt auf’s Meer geschaut und etliche Fotos gemacht habe stapfte ich weiter. Jetzt rechts? Egal was, ich muss vorher noch mal auf die Toilette. Also schnell in den nächsten Pub. Zur Sicherheit sprach ich hier nochmal die Kellnerin an, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg sei. Unser Gespräch bekam ein Gast in dem Pub mit und schaltete sich ein. “I walk the walk 2-3 times every week, I wouldn’t walk it today, lady!” WAS? Nicht noch einer. Echt jetzt? War das wirklich eine so irre Idee?

Der nette Mensch gab sich sichtlich Mühe, mir meinen Plan auszureden, sprach auch davon, wie mucky and greasy, also glitschig und matschig es dort sein müsse und das es gefährlich sei. Och mennooo. Ich war doch aber nicht extra hierhin gefahren, um dann unverrichteter Dinge mit der DART (der S-Bahn in Irland) wieder nach Bray zu tuckern. Nein, so nicht! Ich lauf jetzt einfach so weit, wie es geht und wenn ich der Meinung bin, dass es zu gefährlich wird kann ich ja immer noch umdrehen. Genau, so mache ich das jetzt. Zeit genug hatte ich schließlich und ich wollte mir nicht vorwerfen, dass ich es nicht wenigstens versucht hätte. Also lief ich los.

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Nach ein paar Metern kam mir ein Jogger entgegen mit sehr matschigen Joggingschuhen. „Sorry Sir, did you do the cliff walk today? Is it ok ?“„It’s mucky, but it’s beautiful!“ Endlich! Endlich jemand, der mich nicht davon abhalten wollte. Na dann also los. Der Weg schlängelt sich vom Meer in sanften Kurven immer ein Stückchen weiter in den Berg hinein, weg vom Meer, hinein in die Höhen. Und es läuft sich wundervoll. Ab und an trete ich in eine Pfütze, an manchen Stellen ist sogar der gesamte Weg unter Wasser gesetzt und ich tänzel von rechts nach links, um einigermaßen unbeschadet daran vorbei zu kommen. Ich habe nur dieses eine paar Schuhe an meinen Füßen dabei, wäre zu blöd, wenn die komplett nass würden. Schließlich brauche ich sie noch an den nächsten Tagen.

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Dieses Foto ist nicht das Beste, aber an dieser Stelle hatte ich wirklich Schwierigkeiten, trockenen Fußes an diesem fetten Rinnsal vorbei zu kommen.

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Im ersten Drittel geht es konstant steil in den Berg hinein, nicht zu sehr, aber mit insesamt 8-10 kg Gepäck auf und um die Schultern ist es dann doch etwas anstrengender. Meine warme Winterjacke wurde mir bald ZU warm. Egal, weiter laufen. Nach dem ersten Drittel fiel mir plötzlich auf, warum mir alles so anstrengend vor kommt. Musik. Es fehlte Musik. Ich hatte meine Ohrstöpsel nicht drin. Schnell ändern, Ohrstöpsel rein, iPhone an und den Klängen des P.S. Ich liebe Dich-Soundtracks lauschen. Dieser Soundtrack ist so perfekt zum Laufen und Wandern, direkt kam mir alles viel leichter und angenehmer vor. Ich sorgte dafür, dass die Musik gerade so laut war, dass ich trotzdem noch das Wellenrauschen hören konnte. Von den Gefühlen, die Bild und Ton gemeinsam in mir auslösten brauche ich wohl gar nicht erst zu sprechen. Der Blick von den Klippen über das Meer und runter zu den Bahnschienen der DART und dem Tunnel ist einfach wunderschön. Selbst jetzt im Winter.

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Wie mag es dann wohl erst aussehen, wenn ganz Irland bunt blüht? Ich kann es mir bildlich vorstellen und schwöre mir jetzt schon: ich komme wieder und schaue es mir persönlich an, wenn es soweit ist. Wenn man übrigens den Cliff Walk von Bray aus wandert kann man ab Greystones mit der DART jedenfalls ganz bequem am Meer entlang und durch die Tunnel des Berges wieder zurück nach Bray fahren.

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Immer wieder regnete es auf meinem weiteren Weg in Strömen, die Kamera musste ich regelmäßig weg packen. Doch das dauerte nie lange, sobald es überschaubare Tropfen regnete holte ich den Brummer wieder aus der Tasche und knipste was das Zeug hält. Ich hätte stundenlang dort oben stehen und Fotos machen können. Doch so langsam dämmerte es und ich musste meinen Weg nach Bray fortsetzen, damit ich am Ende nicht noch den Bus nach Glendalough verpasste. Der fuhr schließlich auch immerhin nochmal 50 Minuten, mit dem Taxi hätte es teuer werden können. 

Klatschnass, todmüde – aber glücklich. 

Als ich am Ende des Cliff Walks nach Bray reinlaufe bin ich erschöpft, meine Schultern schmerzen, ich bin durch das Gewicht meines Gepäcks klatschnass geschwitzt und zusätzlich klatschnass geregnet und ich habe keine Ahnung, von wo der Bus abfahren wird. Macht nichts. Ich habe noch genügend Zeit. Erstmal ein wenig an der Promenade entlang spazieren und den Kindern beim Steine flitschen zu sehen. Soviel Zeit muss sein. Ich fühle mich ruhig und entspannt und witzigerweise ist mein Planzwang offenbar zuhause geblieben.

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_DSC8002

_DSC7991_bwVöllig ungezwungen schlenderte ich meines Weges, bevor ich irgendwann dann doch mal nach dem Weg zum Townhall Center fragte und schlussendlich irgendwann auch dort ankam. Doch meine Bushaltestelle fand ich trotzdem nicht. Ich frug mich also durch und die Irländer sind allesamt sowas von freundlich und hilfsbereit. Zwei Damen sind mit mir sogar ein Stück des Weges in die entgegengesetzte Richtung gelaufen, um mit mir zu schauen, ob der Bus vielleicht dort abfährt. Wirklich sehr sehr nett.

Die gesuchte Bushaltestelle des St. Kevin’s Bus (Glendalough Bus) ist übrigens auf der rechten Seite vom Mc Donald’s Haupteingang gegenüber eines Restaurants/Pubs. Nur für den Fall, dass ihr ebenfalls mal auf der Suche nach dieser Haltestelle sein solltet.

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Ein Ticket von Bray nach Glendalough kostet übrigens 9,50 Euro und bringt euch bis zum Visitor Center in Glendalough. Direkt daneben liegt das Glendalough Hotel (sehr empfehlenswert!!!) und direkt hinter dem Hotel gehen viele wunderschöne Wanderwege in die Berge, der Wicklow Weg und Wege um den Upper und Lower Lake herum. Doch dazu erzähle ich euch die Tage etwas mehr. Für heute soll reichen.

Liebe Grüße vom verliebten Irland-Kobold,

Bille.

 

P.S.: Ich wollte ja schon längst ein neues Blog-Layout aufgesetzt haben. Aber wisst ihr was? Ich kann mich einfach für kein Theme entscheiden. Ich habe etwas ganz bestimmtes im Kopf, aber das Passende habe ich bisher nicht gefunden. Es dauert also noch etwas damit. Was aber auch noch fehlt sind meine letzten Fotos aus meinem 365 Tage Projekt. 

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P.P.S.: Wart ihr eigentlich selbst schon einmal in Irland? Und seid vielleicht auch schon einmal die Klippen entlang gelaufen? Wie hat es euch gefallen?